Penicillium citreonigrum Dierckx 1901 - Die Geschichte vom ungeplanten Pilz
Taxonomie:
Die Schimmelpilzart Penicillium citreonigrum wurde erstmals 1901 in den „Annales de la Société Scientifique de Bruxelles“ von Dierckx (R.P.) beschrieben. Bis zum heutigen Tag und maßgeblich zu der Zeit vor dem Internet wurde die Art Penicillium citreonigrum noch unter vier weiteren Artnamen beschrieben. Die unterschiedlichen Namen wurden im Zuge der molekularen Aufarbeitung und Erfassung von Arten unter der ersten fachlichen Beschreibung subsumiert, weswegen heute die Bezeichnung Penicillium citreonigrum offiziell in den Datenbanken gelistet ist (siehe mykobank.org, Stand 12.2024).
Bild1) Rückseite einer Penicillium citreonigrum Reinkultur auf CYA-Agar (Czapek Yeast Agar). Sieben Tage bei 25 °C inkubiert. Als bestimmungsrelevantes Merkmal bildet diese Art auf dem CYA-Agar eine leuchtend gelbe Färbung mit einem leicht dunklen Zentrum aus. Der Agar wird durch das Schimmelpilzwachstum nicht verfärbt oder verformt.
Bild 2) Vorderseite einer Penicillium citreonigrum Reinkultur auf CYA-Agar. Sieben Tage inkubiert bei 25 °C. Zu erkennen sind blass grau-blaue Kolonien die einen Durchmesser von 1,5 bis etwa 2,5 cm erreichen können. Der Kolonierand (jüngere Bereiche) zeichnet sich durch seine weiße Färbung ab, da hier noch wenige Konidiosporen gebildet werden. Ältere Bereiche der Kolonie (Zentrum) weisen hingegen die Produktion von gelblichen Lipid-Tröpfchen und gelblichem Luftmyzel auf. Die Kolonie wächst insgesamt flach auf dem Nährboden und zeigt ein leicht erhabenes Zentrum.
Bild 3) Vorderseite einer Penicillium citreonigrum Reinkultur auf CREA-Agar (Creatine Sucrose Agar). Der zur Artbestimmung eingesetzte CREA-Agar weist im pH-neutralen Zustand, eine lila-Färbung auf. Wie bei der Reinkultur von Penicillium citreonigrum zu erkennen ist, führt eine Säure-Produktion zu einem Farbumschlag. Der Agar wird zunehmend gelb. Im gezeigten Beispiel wird deutlich, dass Penicillium citreonigrum auf CREA-Agar, verglichen mit CYA-Agar, ein moderates Wachstum und eine schwache Säureproduktion zeigt.
Routineanalytik:
Da für Penicillium citreonigrum kein erhöhter Wasseranspruch beschrieben ist, zählt die Art nicht zu den anerkannten Feuchtigkeitsindikatoren im Innenraum (UBA Schimmelleitfaden Stand 12.2024 und andere Fachliteratur). Konkrete Angaben zum aW-Wert und damit den voraussichtlichen Wasseranspruch, sind nicht bekannt. Wie auf den Bildern 1 – 3 angedeutet werden Merkmale, die für die sichere morphologische Bestimmung relevant sind, nur dann erfassbar, wenn die Labore einen erheblichen Mehraufwand mit zusätzlichen Nährmedien betreiben (zusätzlich zur üblichen Identifikation über MEA und DG18 hinaus). Dies ist in erster Linie aus Zeitgründen in der Routineanalytik nicht möglich, weswegen die Art Penicillium citreonigrum in aller Regel mit anderen Arten in der Gattung Penicillium subsumiert wird. Molekulare Daten zum Beispiel der ITS-rDNA, legen nahe, dass es je nach angewandtem Artkonzept kryptische Arten gibt (mycobank.org Stand 12.2024). Kryptische Arten lassen sich nur mit molekularen Daten differenzieren und weisen keine klar trennbaren morphologischen oder physiologischen Eigenschaften auf.
Medizinische Relevanz:
Gemäß TRBA 460 (2016:07) ist die Schimmelpilzart Penicillium citreonigrum in der biologischen Risikogruppe 1 eingestuft. Somit liegt kein erhöhtes Infektionsrisiko für Menschen vor. Konform dazu sind im aktuellen Altas of clinical fungi (4th Edition 2020) keine Einträge für Penicillium citreonigrum und somit keine bekannten Infektionen bei Menschen beschrieben. Sensibilisierende Effekte lassen sich aufgrund der hohen Sporenproduktion, insbesondere bei erhöhter Exposition, nicht ausschließen.
Penicillium citreonigrum – und die Geschichte vom ungeplanten Pilz
Wie beschrieben, handelt es sich bei Penicillium citreonigrum weder um einen besonders relevanten Pilz bei der Detektion von Feuchtigkeitsschäden, noch geht es um einen medizinisch relevanten Pilz. Dennoch ist die Art durch zwei wesentliche Ereignisse in der wissenschaftlichen Welt bekannt, weswegen wir in diesem Rahmen die Geschichte vom „ungeplanten Pilz“ erzählen wollen.
Zum einen taucht diese Art in dem „1000 Fungal Genomes“ Projekt auf, aber eben nicht, weil sie so relevant und interessant für die Wissenschaft ist, sondern vielmehr wurde das Genom von Penicillium citreonigrum irrtümlicherweise sequenziert, obwohl man es eigentlich auf eine Cerinomyces Art abgesehen hatte. Leider war die entsprechende Probe so stark mit Penicillium citreonigrum kontaminiert, dass von der Zielart Cerinomyces crustulinus nichts mehr festzustellen war.
Zum anderen besitzt Penicillium citreonigrum eine durchaus tragische und weitreichende Rolle bei dem Versuch die Ernährungssituation von Menschen in ärmeren Ländern zu verbessern. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg (ca. 1937) wurde in Japan festgestellt, dass falsch gelagerter Reis durch Penicillium citreonigrum befallen werden kann. Das vom Pilz gebildete Mykotoxin Citreoviridin sorgt nicht nur für eine gelbliche Verfärbung des Reises, sondern auch für dessen Ungenießbarkeit (es wird zudem vermutet, dass einige tödlich verlaufende Lebensmittelinfektionen auf den „gelben Reis“ zurückführen sind). Dieses Problem ließ sich erst durch eine umfassende hygienische Verbesserung der Lagerbedingungen von Reis lösen und spielt heute eine vgl. geringe Rolle in der Lebensmittelproduktion. Dennoch gilt seitdem in einem Großteil der asiatischen Länder gelber Reis als ungenießbar und gesundheitsschädlich. Unglücklicherweise ist der „goldene Reis“, ein genetisch verändertes Reiskorn mit stark erhöhtem Vitamin A Gehalt, ähnlich gelb gefärbt wie der durch Penicillium citreonigrum infizierte Reis. Allein die grobe optische Ähnlichkeit zwischen dem gelben Reis und dem goldenen Reis führt zu einer starken Ablehnung gegenüber dem goldenen Reis, der eigentlich dazu gedacht war, die Vitamin A Versorgung im asiatischen Raum zu verbessern.
Die zwei beschriebenen Fälle zeigen, an welchen Punkten ein einzelner ungeplanter Pilz das Vorhaben von Wissenschaftlern empfindlich stören kann.
Vorderseite Reinkultur auf MEA-Agar
Sieben Tage inkubiert bei 25 °C. Im Zentrum der Kolonie sind sowohl die gelblichen Lipid-Tröpfchen, als auch (schwach) das gelbe Luftmyzel zu erkennen. Der Wachstumsbereich der Kolonie (äußerer Rand links im Bild) weist einzelne Myzelstränge ohne Konidiosporen auf, die sich daher noch weiß abheben.
Lichtmikroskopische Aufnahme bei 400 facher Vergrößerung
Die Abbildung zeigt einen monoverticillaten Sporenträger mit einem kleineren Seitenast. Der Stil ist glatt und zeigt im Durchlichtmikroskop eine Segmentierung kurz unterhalb der Verzweigung (schwach zu erkennen). Die Sporenträger von Penicillium citreonigrum sind mit 70 – 120µm vergleichsweise kurz und verglichen mit anderen Penicillium Arten eher zart. Am Ende des Sporenträgers sind in dem gezeigten Bild 2 – 4 Phialiden (bis zu 8 Phialiden können vorkommen) mit kurzen Sporenketten zu sehen.
REM Aufnahme mit Gold besputtert bei etwa 9000-facher Vergrößerung
Sporen, Sporenträger und Phialiden sind durch den Prozess des Sputterns und durch das Vakuum eingedrückt (Präparationsartefakt). Normalerweise sind die genannten Strukturen turgeszent und rund, ohne deutliche Deformationen. Auf keiner der drei genannten Strukturen ist eine nennenswerte Oberflächenstruktur zu erkennen.
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