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Scopulariopsis brevicaulis (Sacc.) Bainier 1907 – Die Geschichte von Napoleons Henker

Napoleon verbrachte nach seiner Verurteilung den Rest seines Lebens im Exil auf der Insel St. Helena, einem britischem Überseegebiet. Alte Aufzeichnungen aus dieser Zeit deuten darauf hin, dass die Räumlichkeiten seiner Unterbringung in Grün gestrichen wurden. Dazu wurde wohl das sogenannte „Schweinfurter Grün“ verwendet, welches aus Kupferarsenitacetat gewonnen wird. Sind ausreichend Feuchtigkeit und andere Kohlenhydratquellen vorhanden, ist Scopulariopsis brevicaulis in der Lage arsenhaltige Farben (wie dieses Kupferarsenitacetat) abzubauen (Gams et al. 2007). Bei diesem Prozess entsteht gasförmiges und giftiges Trimethylarsin. Bei Untersuchungen an Napoleons Leichnams konnten hohe Konzentrationen von Arsen in den Haaren und Fingernägeln, ohne jedoch die sonst üblichen Schwermetall-Nachweise, festgestellt werden. Dies kann auf eine Arsen Vergiftung durch Trimethylarsin hindeuten, welches wiederrum möglicherweise seinen Ursprung in der biologischen Aktivität von Scopulariopsis brevicaulis hatte (Quelle: Wikipedia Stand 02.2025). Sicherlich handelt es sich in dem Beschriebenen Fall um eine Ausnahme, die vornehmlich aufgrund der Beteiligung von prominenten Opfern detailliert dokumentiert ist.

Aber auch ohne dass Vorhandsein von arsenhaltigen Farben sind Arten aus der Gattung Scopulariopsis und auch Scopulariopsis brevicaulis in der Lage Mykosen beim Menschen auszulösen (siehe Details in der Sektion Medizinische Relevanz). In der Literatur sind dabei sowohl nicht invasive, als auch invasive Mykosen beschrieben. Worin besteht der Unterschied? Bei nicht invasiven Mykosen kommt es zu einem Wachstum des Schimmelpilzes auf Finger- oder Fußnägeln, der Hornhaut im Auge oder dem Trommelfell, wohingegen bei invasiven Mykosen innere Organe wie Lunge oder Gehirn betroffen sind. Auch wenn von diesen Mykosen eher Personen mit einem geschwächten Immunsystem betroffen sind, sollte ein hoher Nachweis von Scopulariopsis brevicaulis fachkundig untersucht werden (Quelle: Atlas of Clinical Fungi 4th Ed. 2020).

Scopulariopsis brevicaulis
27.2.2025

Analyse

Bild1) Vorderseite einer Scopulariopsis brevicaulis Reinkultur auf MEA-Agar. Acht Tage bei 25 °C inkubiert. Für die morphologische Identifizierung ist dabei die typische sandfarbene Kolonie, als auch deren samtige Struktur, relevant. Im Zentrum der Kolonie ist ein gelbliches Exsudat Tröpfchen erkennbar, dass nicht immer gebildet wird und gerade bei älteren Kolonien häufig verschwindet. Häufig weisen älteren Kolonien eine zentrale Erhebung durch Luftmyzel auf. Die sandfarbene Kolonie ist von einem weißen ausgefransten Ring sterilen Myzels umgeben (Wachstumszone).

Bild 2) Rückseite einer Scopulariopsis brevicaulis Reinkultur auf MEA-Agar. Acht Tage inkubiert bei 25 °C. Zu erkennen ist ein charakteristischer brauner Ring, der das Zentrum der Kolonie umgibt und seinerseits von einem helleren braunen bis gelblichen Ring umschlossen ist.

Bild 3) Vorderseite einer Scopulariopsis brevicaulis Reinkultur auf DG18-Agar. Die Kolonie ist insgesamt nur weißlich bis ganz schwach braun gefärbt. Dies kommt daher, dass auf DG18 Agar deutlich weniger Konidiosporen gebildet werden, die in der MEA-Aufnahmen (Bild 1) für die Färbung sorgen. Dies deckt sich mit den Literaturangaben, dass Wasserknappheit bei Scopulariopsis brevicaulis zu vegetativem Wachstum führt (Gams et al. 2007).

Taxonomie

Die Schimmelpilzart Scopulariopsis brevicaulis wurde strenggenommen bereits 1882 von Saccardo in den „Annales Mycologici 5“ veröffentlicht. Damals jedoch noch unter dem Namen Penicillium brevicaule. Da Biologen schon immer dazu neigten bei der Namensgebung von Organismen offensichtliche morphologische Merkmale zu berücksichtigen, lief das auch hier nicht anders. Aus dem lateinischen übersetzt bedeute brevicaule nichts anderes als „kurzer Stiel“. Dies ist zweifellos eine Anspielung darauf, dass die Anneliden (Achtung im Fall von Scopulariopsis spricht man von Annelide nicht von Phialide) gebündelt an einem kurzen Stiel sitzen (siehe Bild 4; Lichtmikroskopische Aufnahme). Im Jahr 1907 erfolgte dann die bis dato gültige Artbeschreibung in dem „Bulletin de la Société Mycologique de France“ von Bainier mit dem auch heute noch gültigen Namen Scopulariopsis brevicaulis (siehe mykobank.org Stand 02.2025).

Routineanalytik

In dem Compendium of Soil fungi Sec. Ed. (Gams et al 2007) wird auf eine Reihe von Publikationen verwiesen, die für Scopulariopsis brevicaulis ein vegetatives Wachstum (Myzelbildung) auch bei vergleichsweise niedriger Wasserverfügbarkeit nachwiesen. Daraus leitet sich die Schlussfolgerung ab, dass es sich hierbei um eine zumindest teilweise xerophile Art handelt, die auch bei geringer Wasserverfügbarkeit wachsen kann. Xerophile Schimmelpilze spielen bei der Untersuchung von Innenraumschäden eine wichtige Rolle, da sie bereits dann auftreten können, wenn Oberflächen und Materialien nur gelegentlich oder leicht feucht sind. Bei anderen xerophilen Arten wird hier häufig die Kondenswasserbildung als ein Beispiel angeführt (z.B.: Artkomplex Aspergillus restrictus). Aufgrund dieser wissenschaftlichen Daten ist davon auszugehen, dass Scopulariopsis brevicaulis durchaus als Feuchtigkeitsindikator in Innenräumen anzusehen ist, auch wenn eine offizielle Deklaration seitens des UBA Schimmelleitfadens (Version von 04.2024) nicht vorliegt. Aus ökologischer Perspektive ist für Scopulariopsis brevicaulis eine weltweite Verbreitung und ein Nachweis von verschiedensten Substraten (bspw.: Erde, Holz, Früchte, Dung, Papier und Lebensmitteln) beschrieben (Food and Indoor Fungi Sec. Ed. 2019).

Als erster Schimmelpilz innerhalb des „Schimmelpilz des Monats-Formats“ mit einer sogenannten annelidischen Sporenproduktion anstelle einer phialidischen Sporenproduktion dient Scopulariopsis brevicaulis auch zur Begriffserklärung. Als Annelide wird dabei einen Sporenproduzierende endständige Zelle beschrieben, die Konidien in basipetalen Ketten nacheinander bildet. Diese Konidien werden dabei durch die identische Öffnung heraus produziert und hinterlassen nach erfolgreicher Abschnürung einen abschließenden Ring um die Annelide. Durch diesen Prozess des zurückbleibenden Rings (wichtiges Bestimmungsmerkmal) verlängert sich die Sporenproduzierende Zelle im Zuge ihrer Alterung (siehe Definition Food and Indoor Fungi Sec. Ed. 2019).

Medizinische Relevanz

Gemäß TRBA 460 (2016:07) ist die Schimmelpilzart Scopulariopsis brevicaulis in der biologischen Risikogruppe 1 eingestuft. Allerdings wird in der TRBA 460 auf eine abweichende Gefährdung für immunsupprimierten Menschen, sowie eine mögliche allergene Wirkung und eine mögliche Mykotoxinproduktion hingewiesen. Gemäß dem Atlas of Clinical Fungi (4th Ed. 2020) wird Scopulariopsis brevicaulis häufig in Proben von Schimmelpilzbefallenen Finger- und Fußnägeln nachgewiesen, was auf eine keratinolytische Eigenschaft dieser Art hinweist. Zusätzlich sind eine ganze Reihe anderer Nachweise von Scopulariopsis brevicaulis beschrieben, die zumeist mit einem geschwächten Immunsystem und anderen Erkrankungen einhergeht. Invasive Mykosen werden zudem erst dadurch möglich, dass einige Stämme dieser Art auch bei Temperaturen um 37°C noch wachsen können (Wachstumsoptimum liegt jedoch bei 24 – 30°C). Aufgrund der medizinischen Prävalenz von Scopulariopsis brevicaulis wurde im Jahr 2016 ein artspezifisches qPCR Protokoll zum sicheren Nachweis dieser Schimmelpilzart entwickelt (Kordalewska et al. 2016).

Lichtmikroskopische Aufnahme von Scopulariopsis brevicaulis bei 400 facher Vergrößerung

Lichtmikroskopische Aufnahme von bei 400 facher Vergrößerung

Lichtmikroskopische Aufnahme von Scopulariopsis brevicaulis bei 400 facher Vergrößerung (plus nachträglich digitale Vergrößerung). Die Anneliden stehen in kleinen Gruppen endständig an kurzen Stielen (namensgebend: lat. – brevicaule = kurzer Stiel). Die Anneliden sind schlank und nicht bauchig verdickt. Es ist zu erkennen, dass ältere Anneliden (unten am Stiel) etwas länger sind, als jüngere (siehe hierzu Beschreibung einer Annelide). Die Sporen sind rund und weisen einen Durchmesser von 5-7µm auf. Sie werden in Ketten gebildet, die leicht zerfallen können. Je nach räumlicher Orientierung der Konidiosporen ist eine abgeplattete Basis und manchmal eine leicht ausgezogene Spitze zu erkennen (Bestimmungsmerkmal).

Fluoreszenz-Aufnahme von Scopulariopsis brevicaulis bei 400 facher Vergrößerung

Fluoreszenz-Aufnahme bei 400 facher Vergrößerung

Fluoreszenz-Aufnahme von Scopulariopsis brevicaulis bei 400 facher Vergrößerung (plus nachträglich digitale Vergrößerung) angefärbt mit Acridineorange, das angeregte Licht wird bei 525nm gemessen (daher der Grünton). Leuchtend grüne runde Objekte sind die Konidiosporen, die aufgrund ihrer biologischen Aktivität viel DNA enthalten und somit besonders gut mittels Acridineorange anzufärben sind. Annelide und Myzel leuchten deutlich schwächer grün, da sie weniger DNA enthalten.

REM Aufnahme von Scopulariopsis brevicaulis mit Gold besputtert bei etwa 6127-facher Vergrößerung

REM Aufnahme mit Gold besputtert bei etwa 6127-facher Vergrößerung

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme von Scopulariopsis brevicaulis mit Gold besputtert bei etwa 6127-facher Vergrößerung. Maßstabsbalken unten rechts im Bild zeigt 10µm an. Insbesondere die Sporenträger und Anneliden sind durch den Prozess des Sputterns und durch das Vakuum eingedrückt (Präparationsartefakt). Normalerweise sind die genannten Strukturen turgeszent und rund, ohne deutliche Deformationen. Die Sporen von Scopulariopsis brevicaulis sind deutlich stabiler als die von beispielsweise Penicillium citreonigrum, da sie keine Deformation zeigen. Die Sporen sind rund und weisen die charakteristische raue Oberfläche auf. Je nach räumlicher Orientierung ist ein Ring auf den Sporen zu erkennen, welcher in der Lichtmikroskopie als abgeplattete Basis deutlich wird. Dieser Ring entsteht durch die Abschnürung der Konidiosporen von der Annelide und wird erst dann sichtbar, wenn die Sporenketten in Einzelsporen zerfallen.

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